Projekt Nr. 20
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Der Zeichnungsgenerator – Gespräch: Gabriele Mackert / H. Kater
Sylvester 2001/2002, Wien
Teil 4
Teil  1  2  3  4
Material:
- Ausstellungskonzept
- Rundgang durch die Ausstellung
- Die Räume von Hannes Kater
Gespräche zur Ausstellung:
Bjørn Melhus (2. Künstler)
Diana Dietz (Assistenz)
Silke Boerma (Kuratorin)
Armin Chozinski (Helfer)
Gabriele Mackert (Autorin)
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Bilder und
Inhalte

H: Das eine jetzt noch, mit der Klarheit. Wenn ich das jetzt versuche nochmal, so wie ich es verstanden habe, dass du meinst, es gibt also so Tendenzen des nicht dreidimensionalen Darstellens, des Einflachens, des Verzichtens, räumliche Darstellung anzustreben oder räumliche Simulation. Und das würde sozusagen dem entsprechen, dass man sozusagen inhaltlich oder Ideen abbilden oder in Bilder bringen wollte. So ungefähr? Nein?

G: Das würde dem entsprechen, dass man Ideen in Bilder bringen will?

H: Nein – äh ist schlecht formuliert, Moment – also das käme daher, dass man eben nicht realistisch was abbildet, sondern dass man eine Idee oder eine Vorstellung abbilden will.

G: Mhm, ja.

H: Und dann meintest du, also das sei sozusagen unrealistisch gedacht und gehandelt.

G: Nee. Nee.

H: Auch nicht! Ach so.

G: Ich denke, dass darin eine Form des realistischen Wollens liegt, die aber durch die Bilderkrise sich andere Möglichkeiten sucht der Kommunikationsform und deswegen ist es ja auch so wichtig, dass dort eine Art von Klarheit, die z.B. einer Klarheit oder Reduktion der Strichführung, dass es nicht irgendwelche großflächigen Schraffierungen oder Dunkelheiten, die aus einer Kohlezeichnung kommen oder so was, gibt. Sondern dass die immer so versuchen was nicht so Individuelles oder Dubioses oder Schattenhaftes zu haben, sondern was sehr Klares. Und das ist z.B. was, was eben deine Zeichnungen mit Piktogrammen verbindet. Und darin liegt eine Verweigerung, nach der Natur realistisch zu zeichnen oder abzumalen oder abzubilden, aber gleichzeitig eine ganz enge Verbindung dorthin. Aber mit dem Wollen, dass die Inhalte und Ideen über standardisierte Formen sehr in den Vordergrund treten.

H: Was ist denn die große Nähe dahin?

G: Wie?

H: Also du hast jetzt gerade was formuliert, dass das eine Verweigerung sei und das sei nicht realistisch, ne? Ich versuche das nur zu verstehen!

G: Das ist eine Verweigerung der Abbildhaftigkeit nach der Natur, dieser Tradition des Realismus, aber es ist trotzdem ein Realismus, ein Wollen des Realen.

H: Ein Wollen des Realen. Also ich entdecke bei dir, wenn du Realismus sagst und du dann weiterredest, dann habe ich den Eindruck, es sind zwei Bedürfnisse, die ich anders benennen würde, von denen du sprichst, nämlich erzählen oder narrativ arbeiten und inhaltlich irgendwas transportieren wollen, irgendwas abbilden wollen. Aber etwas Abbilden ist nicht zwingenderweise Realismus.

G: Aber darauf will ich ja gerade hinaus!

H: Ach so. Und mir fiel dann noch auf, also ich würde dann sagen, es geht um einen ökonomischen Einsatz der Mittel, also bzw. eine Schraffur ist schon viel zu bedeutungslos, weil es darum geht, jede Linie, jeder Strich bedeutet etwas. Und eine Schraffur bedeutet nur im Gesamtergebnis was, nämlich dass da ein Schatten oder eine Verdunkelung oder eine Rundung ist, aber der einzelne Strich als Setzung ist unwichtig.
   Und es gibt so eine Tendenz, dass also ein Piktogramm, da bedeutet ja auch jeder Strich was und da ist ja auch wieder irgendwie die, wenn man da an die chinesischen Schriftzeichen denkt, da darfst du ja auch keinen Strich irgendwie anders machen, dann bedeutet das was anderes. Und das hat aber auch was mit Kontrolle zu tun und mit Präzision und einer Sehnsucht, dass das überhaupt geht. Wenn du dann wieder an's Mittelalter denkst, da ist das schon ähnlich, also frühmittelalterliche Ikonenbilder, wie so ein Haus dargestellt wird, da ist auch kein Strich zu viel, da gibt es das Haus, das wird als Haus vorgestellt und jeder erkennt: das ist ein Haus. Und da gibt es da einen Erker dran und der steht dann auch für einen bestimmten Reichtum oder Nicht-Reichtum usw., ne.
   So nach meinem Verständnis ist Realismus gerade tendenziell nicht narrativ, bzw. die haben da eine hübsche Theorie drumrumgebildet – ich weiß jetzt immer nicht von wem die ist, Schiller oder Lessing? – dieser Moment… es gibt einen ganz langen Text über einen Schwertkämpfer und dass es darum geht, wenn du eine Bewegung machst mit einem Schwert und die soll abgebildet werden und man soll erkennen, dass der Schwerthalter jemandem auf den Kopf haut damit, dass man da den idealen Stop-Moment finden muss, in der Abbildung, damit das Vorher und Nachher evoziert, also gedacht werden kann. Und dann könnte man den Typen aber auch supernaturalistisch malen, wie er halt aussieht möglichst, fast wie ein Foto – so mal laienhaft – und man würde also die Geschichte erkennen. Du musst sozusagen keine anderen bildnerischen Mittel einsetzen, um Geschichte zu erzählen. Du brauchst keine zwei Frames, dass der Protagonist im Bild zweimal auftaucht und der Typ dann irgendwie schon zugeschlagen hat oder so was. Also die haben sich schrecklich viele Gedanken gemacht wie sie naturalistisch abbilden können und trotzdem noch erzählen können.
   Oder wie heißt der Typ? So ein französischer Maler, “Floß der Medusa”, irgendwas mit “G”, den ich immer nicht aussprechen kann…

G: Géricault.

*  Théodore Géricault, französischer
Maler, *1791–1824]

H: (vorsichtig, tastend) Géricault*... Ich weiß nicht, ob das schon unter Naturalismus läuft oder Realismus, aber da geht es ja auch um das, also jede Figur ist möglichst so dramatisch dargestellt und das war dann ja auch ein Handikap. Weil die Figuren so sich verrenken mussten, damit sie was transportieren noch und trotzdem waren sie halt möglichst genau gemalt. Weißt du, was ich meine? Also dass der Realismus dann einfach ein Problem des Narrativen dann mit sich brachte, dass also da die Qualität, von dem was Bilderzählung, Bildteppich und sonstwas war, das ging dann plötzlich alles verloren. Auch durch die Zentralperspektive. Also weil die ganzen Möglichkeiten eben mit einer Nicht-Zentralperspektive, wie du da bildlich erzählen kannst, die waren auch alle weg.

G: Äääh. Wir kommen da jetzt in einer anderes Feld, glaube ich, weil die Darstellungsweisen auf mittelalterlichen Zeichnungen oder auf Bildteppichen oder wenn du das Ägyptische oder so nimmst, dann ist das so, dass sich die Elemente wiederholen in verschiedenen Zusammenhängen. Das ist ja z.B. die Geschichte, die erzählt wird auf dem klassischen Altarbild, geht ja von der Geburt, der Verkündigung bis zur, unten wo die Grablegung dargestellt ist. Also von daher ist es keineswegs so, dass dort die Möglichkeit bestand, das in einem Element zu zeigen. Und dieses Möglichkeit des Nacheinanders in verschiedenen Bildern hat der Realismus sehr wohl. Es gibt nur andere Formen der Überlagerung dieser Informationen, glaube ich, aber ansonsten liegt dieses Problem des Erzählens bei der einen wie bei der anderen Bildform vor, weil sie eben nicht in der Zeit abläuft und keinen Verlauf zeigt. Und das, glaube ich, im Prinzip so eine andere Baustelle.

H: Mhm.

G: Es gibt in den Zeiten verschiedene Lösungen dafür, aber du hast in einem Bild bei den verschiedenen Methoden die gleichen Probleme.

H: Du hast unterschiedliche Probleme, weil du unterschiedlich anfängst und dann kommst du zu , stößt du auf unterschiedliche Probleme… also du hast generell ein Problem, klar, aber je nachdem wie du anfängst, wie du loslegst, hast du dann andere Probleme, bzw. hast andere Lösungsmöglichkeiten, wenn du innerhalb dieses Systems bleiben willst.
Ich kann das jetzt nur einfach akzeptieren, dass du also sagst, dass wenn man irgendwas abbilden will, dass das irgendwie Realismus ist. Das überrascht mich einfach kolossal. Dieser Realismus-Begriff. Aber gut, okay!

G: Das ist ja eine These, die ich in den Raum stelle, ...

H: Ach so.

G: ... die dabei untersucht werden soll, weil das ist die These, die ich vermute mit diesem Umgang oder diesen Formen der Bildfindung im Prinzip, dieses Phänomen …

H: Was bei “patterns of life” z.B. gar nicht falsch angedacht war, ich habe die Texte jetzt auch nicht mehr so in Erinnerung, aber ich glaube, dass zumindest ein Teil der Leute, die jetzt in die Richtung arbeiten, die du meinst… also dass es eher aus so einer persönlichen Notwendigkeit ist, es gibt die Strategen natürlich, die also irgendwie was begreifen und dann umsetzen und sich was überlegen und dann damit arbeiten, aber ich glaube… wenn ich an “patterns of life” denke, da der Jochen Flinzer oder wie er heißt, der hat sehr genau beschrieben, also er hat auch angefangen als Würfler z.B. und hat dann irgendwie rumgemacht und hat dann aus irgendeinem Grund, ich glaube das erstemal war irgendeine Postkarte, die er an irgendeinen Freund geschickt hat, oder irgendwelche Kinder haben irgendwie was gemacht, das war so Zufall und da hat er was entdeckt. Und dann hat er das irgendwie öfter gemacht und hat da diese Stickereien irgendwie die zustande gebracht und dass er Sachen nachstickt, Texte nachstickt, und dass die Rückseite irgendwie spannend ist und so. Beim ihm geht es ganz extrem um das Abgeben von Verantwortung. Also es gibt so eine biografische und irgendwas-tun-Notwendigkeit und so und sehr viel weiter geht es da nicht.
   Und dann gibt es eine andere Frau, die auch bei “patterns of life” dabei war, die also irgendwie erzählt, sie hört gerne Hörspiele und puzzelt so vor sich hin und stickt und macht und tut und bastelt und knuddelt und baut Modellchen und so. Aus so einem Machen und Tun. Mit wem habe ich denn da noch… mit dem [Raymond] Pettibon, nee, dieser Engländer?

G: Periton.

H: Hm?

G: [Simon] Periton.

H: Der war einfach supernett, der war so ganz relaxed und ganz charmant, ich weiß gar nicht, was hat der denn erzählt… er hat auch eine Geschichte erzählt, die auch eher aus so einer persönlichen… also es gab so Umstände, die führten einfach zu dieser Form zu arbeiten bei ihm, also er schneidet nicht, er macht noch irgendwas anderes, Fotos, glaube ich, oder er hat einen Lehrauftrag für Fotografie. Und der hat halt beschrieben, er war in St.Martin, da war irgendwie, Foto war irgendwie ganz leer und er war schrecklich jung und er konnte sich nicht durchsetzen und dann hat er Fotos gemacht, weil da war am meisten Platz. Und dann ist irgendwie was anderes passiert und dann hat er halt das gemacht – ne, wie das halt bei Künstlern so ist. So. Ja, worauf will ich eigentlich hinaus… also dass ich Schwierigkeiten habe, das Realismus zu nennen, genau. Oder dass ich nicht genau begreife, was da das Realistische für dich dann ist. Also ich will nichts kaputtmachen, ich will nur was überhaupt verstehen.

G: Ich überlege gerade, wie ich es dir noch erklären kann. Ähm …

H: Mm?

G: Na weiß ich nicht, ich glaube, ich habe das irgendwie schon gesagt.

H: Kannst du es nochmal probieren?

G: Ähhh, ich meine, wenn man ausgeht z.B. von diesem, was du vorhin gesagt hast, mit dem Malwettstreit. Da ging es ja nun auch darum, dass die Menschen dann gefordert haben, dass die den Vorhang doch wegnehmen sollten und der war aber gemalt und es ja schon noch darum ging, um eine Art von Täuschung. Und diese Täuschung funktioniert dann ja, wenn dieses Bild an sich so eine Art von Realität, eigene ähm… also nicht nachgeordnet dem ist, sondern an sich schon wieder diese Realität hat.

H: Das ist sehr positiv formuliert, wenn ich das sagen darf. Also es gibt auch Leute, die sagen, es ahmt etwas nach.

G: Schon, aber diese Täuschung, in diesem Wort Täuschung liegt ja das “es ahmt etwas nach”. Aber die ist ja dann im Prinzip das, was da so super bewundert wird – und ich sehe das anders als du, dass es nicht angesehen war, es geht dabei nur um ein anderes Konzept, nicht um Kunst, sondern um Handwerk wahrscheinlich, um Technik. Wo war ich? Dass diese Täuschung dann eben genau funktioniert, wenn das Bild an sich diese Realität wiederum hat, also eine eigene, neue schafft und man ihm nicht dieses Abbild oder den Abklatsch in dem Sinne so als erstes anmerkt.
   Und ich glaube, dass Piktogramme oder diese Verfahrensweisen auch damit spielend dieses Verhältnis umkreisen.

H: Indem sie das offensiv verweigern, diese Täuschung, oder wie?

G: Na, aber sie haben beides, also sie versuchen sich da eigentlich in dieser Skala anders zu verorten, haben aber trotzdem den Hang – dadurch dass sie sich Ausdrucksmitteln bedienen, die so was Standardisiertes haben, was nicht Individuelles – von dem wegzugehen oder nein, sich dort anzusiedeln, wo das als Gesetz gesehen wird und in dem Sinne nicht als Erfindung und individuell Neues sofort eigentlich in ähmm

H: Für mich sagt eigentlich, wenn ich wach bin, ausgeschlafen bin und Zeit habe und wenn ich durch einen Flughafen, eine Empfangshalle gehe, dann sagt jedes Piktogramm zu mir “ich bin eine Erfindung”. Also mich gibt es in der Realität nicht, als Bild. Und zweitens ist ein Piktogramm so gemacht, dass es eben in der Ansprache, also wenn ich es sehe, sagt: “auch du bist gemeint”. Es ist überindividuell, wenn ich ein Klo suche und ich sehe so ein Klomännchen, dann weiß ich, alle Männer dürfen auf dieses Klo und die Frauen sollen doch bitte das andere benutzen besser.

G: Genau.

H: Und so ein Vorhang, der da so täuschend echt ist, der sagt “ich bin ein Vorhang und zwar ein ganz spezieller Vorhang, nämlich der der hier ist”. Also es simuliert Anwesenheit. Und ein Piktogramm will in keinster Weise Anwesenheit von einem konkreten Menschen, einem Mann oder einer Frau simulieren oder den Eindruck erzeugen, sondern es spricht eigentlich eher davon, da ist keiner oder es ist für alle. Ich sage dir als Betrachter, ich spreche alle Männer oder alle Frauen an. Für mich hat Realismus tendenziell damit zu tun, dass eben schon dieses Eine, das Besondere, es geht gar nicht um wertvoll oder individuell, das ist ja dann auch noch eine Entwicklung in der Kunstgeschichte, dass man irgendwann auch kaputte Schuhe malen konnte, es gab vielleicht noch andere Schuhe, die ähnlich aussahen, da war es aber Zufall, aber es ging schon eigentlich erstmal um einen Schuh, den man dann gemalt hat, also das war dann doch schon wieder Kunst, wenn man bei so einem Bild, bei so einem Abbild dann doch was Schuhiges einfangen konnte, was über diesen einen Schuh hinausgeht, irgendwie das Wesen des Schuhs oder keine Ahnung. Aber es war schon erstmal tendenziell der eine Schuh. Oder zumindest war er so gemalt, dass dann klar war, es gibt andere Schuhe, die sind ganz anders, die sind auf keinen Fall gemeint. Eventuell war es dann der Schuh des Arbeiters oder so. Oder Schuh armer Leute oder so was. Weißt du, was ich meine?

G: Nee.

H: Uuuuh. Ich glaube, dass ein Piktogramm und eine bestimmte Form von Zeichen von vorneherein immer sagt “ich bin nicht Realität”. Das lässt sich auf diesen Wettkampf, den wir da bei diesem Vorhang, bei diesem gemalten Vorhang haben, gar nicht erst ein – also du hast ja das Wort Verweigerung benutzt – es verweigert sich dem von vornerein.

G: Aber es hat gleichzeitig eine sehr starke, von sich aus standardisierte Wirkung und schwebt ja längst zwischen dem… Die Tatsache, dass du, egal auf welchem Flughafen du da rumgehst, das erkennst, hat ja damit zu tun, dass es an sich schon…

H: Realität geworden ist.

G: Ja.

H: Na gut, aber das ist ein Unterthema dieser ganzen Piktogramm-Geschichte. Ein ganz kleiner Aspekt, also dieses Problem, dass ein Bild ja auch immer schon wieder Realität ist, ein Abbild oder ein Bild oder ein Piktogramm. Also ein Piktogramm von einem Baum verweist auf einen realen Baum und verweist aber auch darauf, dass es ein Piktogramm von einem Baum ist. Aber das tut jedes Abbild. Jedes Abbild verweist eigentlich auf das, was es abbildet und auf sich selbst.

G: Finde ich nicht. Also das kannst du mit jedem Bild durchdenken, aber ich finde nicht, dass jedes Bild gleich stark darauf verweist.

H: Naja, ein Piktogramm hat halt den Vorteil, dass es einprägsam ist und, klar, vereinfacht und so und dadurch wird es sozusagen eher…, also wenn du dreimal ein gleiches oder ähnliches Piktogramm gesehen hast, dann ist es wie ein Muster, was du kennst und dadurch gewinnt es in deinem Denken vielleicht irgendwie eine andere Relevanz, ich meine wie ein Buchstabe auch, du erkennst immer sofort, das ist ein “o” – janee, also ein “o” erkennt man nun grade nicht sofort – aber ein “b” meinetwegen, “b” ist einrelativ klarer Buchstabe, oder ein “w”, kann noch sein, dass es dann auf dem Kopf ist, dann wäre es ein “m”. Ist ein “w” oder ein “m” ist das irgendwie real oder realistisch? Da geht es dann um Prägnanz und um Wiedererkennbarkeit und so. Also es wird eher Teil eines Denkens, also ein gemalter Wald, das ist weniger so eine Denkfigur, man muss da noch viel mehr das umsetzen zur Denkfigur und ein Zeichen ist viel näher am Denken dran aus irgendeinem Grund. So vielleicht.

G: Was, Zeichnen ist näher am Denken dran?

H: Ein Zeichen. Zeichnen auch. Ich weiß nicht, ob ich das dir gegenüber auch schon erzählt habe, das ist irgendwie immer meine Lieblingseinleitung, wenn ich irgendwie was erzählen muss, dass ich irgendwie als ich dreizehn, vierzehn war einen neuen Lehrer kriegte an der Schule, eine Lehrerin, frisch ausgebildet, ich hatte irgendwie Leistungskurs, nee Leistungskurs, war das schon Leistungskurs, ich weiß gar nicht, nee, muss vorher gewesen sein, und die kam also und stellte uns irgendeine Aufgabe und dann wurde über die Arbeiten gesprochen und irgendwann kam der Punkt, wo ich stutzig wurde und fragte, ob sie denn ernsthaft glaube, dass zwischen einem Gegenstand und da, wo der Gegenstand aufhört, meinetwegen hier, wo so ein Tisch aufhört, dass da eine schwarze Linie sei in Realität oder irgendeine farbige Linie, da meinte sie, ja. Und ich meinte, nein, da sei keine Linie. Das sei gedacht. Und wenn man da eine Linie macht, dann sei das eine –das habe ich natürlich in dem Alter noch nicht formuliert, dass das irgendwie eine gedankliche Leistung sei- aber ich habe irgendwie gesagt, das mache ich, die gibt es da nicht. Und sie meinte, doch, so eine ganz junge, sonst könnte sie das ja nicht zeichnen. Und das war das erstmal, dass ich irgendwie keine 1 in Kunst kriegte, weil da war ich ziemlich sauer.
   Und deswegen hat für mich zeichnen, also Linien machen, auch was modellhaftes, weil es Linien in der Realität eigentlich – und Realität meint jetzt Außenwelt, außerhalb von mir- nicht gibt. Normalerweise zumindest, also wenn ich nicht gerade auf ein Blatt Papier kucke, wo jemand eine Linie gemacht hat. Und dann kann man sich noch ewig unterhalten, dass eine gezeichnete Linie natürlich eigentlich keine Linie ist, sondern eigentlich auch eine Farbfläche und so, aber das meint das jetzt erstmal nicht.
   Und deswegen ist, glaube ich, Zeichnen näher am Denken dran, aber ich habe jetzt eigentlich Zeichen gemeint, also ein Zeichen wie ein “m” ist auch näher am Denken dran als die Abbildung eines Stuhls, eine realistische Abbildung eines Stuhls.
   Ich habe noch eine Idee, das können wir ja dann vielleicht morgen machen, ich weiß nicht. Ich meine was ich probieren könnte, dass ich also so zuhöre und so frage, dass ich also dienend bin, deiner Vorstellung, das könnte ich probieren. Sobald ich nach mir horche und auf das, weshalb ich dich eigentlich frage, klappt da irgendwas nicht, es geht nicht. Realismus ist da auch nur ein Knackpunkt, es gibt da mehrere.
   Ich kann das nur nochmal andersrum, ich glaube, es gibt immer eine Abnutzung. Wie das ja mit Sprache auch ist, man sagt irgendwie fünf Jahre lang “geil” und dann sagt man halt “krass”. Und dann sagt man irgendwas anderes, also weil sich was abnutzt. Ein Wort, was erst neu und kräftig ist für was, das nutzt sich dann ab. Es gibt da sogar noch ganz unterschiedliche Geschichten, also einmal ändert sich Jugendsprache und dann werden aber die einzelnen Leute, die früher Jugendliche waren, älter und die wollen dann auch nicht mehr “geil” oder “krass” sagen, sondern die sagen dann irgendwie “schön” oder “sehr beindruckend” oder “sehr sinnlich” oder was auch immer . Und so eine Form von Abnutzung und deswegen einer ständigen Verschiebung und (…?) gibt es ja natürlich auch beim Bildermachen. Ohne dass ich das jetzt relativieren wollte und ich finde es auch immer notwendig, dass immer im Moment muss man schon kucken, was ist gerade frisch, was ist nicht abgenutzt, oder was könnte das Nächste sein, dass das, was sich jetzt langsam abnutzt, ersetzt. Da muss ein Kurator oder Kuratorin oder eine Kunstwissenschaftlerin natürlich nochmal ganz anders draufkucken als ein Künstler, weil der biografisch noch ein bißchen eingebunden ist, noch ein bißchen unflexibler ist. Aber ich würde das nicht als Vernichten oder Abwerten sehen, wenn ich sage, dass es so ein Hinundherpendeln gibt zwischen so einem, ja, was ich Realismus nenne, Bedürfnis, weil das gab es ja komischerweise in der Antike, da gab es ja auch schon sehr gegenständliche Abbildungen, also wenn man so irgendwie Pompeji, so Portraits gibt es, die sind weit naturalistischer als irgendwas, was dann um das Jahr Tausend rum gemacht worden ist.

G: Ja Skulptur auch.

H: Ja. Und die waren nicht nur barbarisch und verdummt dann im frühen Mittelalter, das glaube ich nicht, sondern da waren vielleicht andere Bedürfnisse da, andere Notwendigkeiten, was ein Bild leisten kann und höchstwahrscheinlich gab es auch noch einen Verlust von technischem Wissen, aber ich glaube, das kann es nicht allein gewesen sein. Und so glaube ich, dass es halt hin und her schwingt. Für mich ist halt Realismus wirklich dann ein Gegenpol von etwas anderem, wo ich nicht genau weiß, wie man das nennen kann. Deswegen habe ich so Probleme mit deinem Realismus-Begriff. Wobei du durchaus recht haben kannst, weil ich habe halt keine Ahnung, wie man den benutzt.

G: Ich auch nicht, glaube ich.

H: Ach so. Die Sehnsucht danach etwas abzubilden, also dass ein Inhalt da ist, davon redest du, oder? Nein?

G: Nee. Glaube ich nicht, nee.

H: Hm. Dann weiß ich nicht.

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